´So richtig ernst genommen hat mich vor dem Start niemand´

Jubiläum: Im August 1953 holte Wiltrud Dannemann den Deutschen Meistertitel

Vor genau fünfzig Jahren feierte die Schwimmerin des DSV 05 ihren größten Sieg. Über 100 Meter Brust schlug sie als Erste an.
Von Marco Julius
delmenhorst - Wiltrud Dannemann, Jahrgang 1936, erinnert sich an ihren großen Tag, als wäre er erst gestern gewesen. ´Es war ähnlich heiß wie in diesem Sommer, damals im August in Wolfenbüttel.´ Wenige Tage vor ihrem 17. Geburtstag stand sie im Endlauf der Deutschen Meisterschaft von 1953. 100 Meter Brust standen auf dem Programm. ´So richtig ernst genommen hat mich keiner´, lacht Dannemann, die damals noch unter ihrem Mädchennamen Gorski ins Rennen ging.
´Vor dem Start habe ich mich noch im Schatten ausgeruht und dann ging es los.´ Auf Bahn 6 vertrat sie die Farben des DSV 05. Ihre Taktik war wie stets die gleiche: Vom Startblock an Tempo machen. ´Mein Trainer Gerhard Bluszcz, ohne den ich nie so erfolgreich gewesen wäre, hat immer gesagt, ´was Du weg hast, hast Du weg´. Daran habe ich mich gehalten.´
Doch vom Start kam die junge Schwimmerin nicht so gut weg. ´Ich musste ganz schön rackern. Nach der Wende setzte ich zum Schlussspurt an.´ Die Gladbeckerin Iris Ahrens und Hilde Winkmann aus Krefeld konnten nicht mehr mithalten. Zu ihrer eigenen Überraschung und zu der ihres Umfeldes stand Wiltrud Gorski ganz oben auf dem Siegerpodest. ´Wir waren alle baff.´
Die Überraschung war um so größer, da der DSV damals zu den Vereinen ohne Winterbad gehörte, also nicht das ganze Jahr trainieren konnte. 1:27,6 Minuten bedeuteten neben dem Meistertitel auch gleich neue deutsche Jahresbestzeit. ´Ich bin schon ein wenig stolz, dass im Jahr 1953 vor und nach mir keine deutsche Sportlerin schneller geschwommen ist´, sagt die Meisterin 50 Jahre nach ihrem Erfolg, fügt aber gleich bescheiden an: ´Eigentlich habe ich meinen Sieg der Babypause von Favoritin Ursel Happe zu verdanken. Die mehrfache Deutsche Meisterin und spätere Europameisterin aus Dortmund bekam nämlich zu dieser Zeit ein Kind.´ Als Ursula Happe-Kray wurde sie 1956 in Melbourne Olympiasiegerin über 200 m Brust.
Für Wiltrud Dannemann ist ihr größter Erfolg eine schöne Erinnerung. Gern stöbert sie in alten Aktenordnern und Fotoalben, kramt in kleinen Kisten nach Medaillen und Plaketten. ´Wir waren damals absolute Amateure. Zum Sieg gab es nur ein paar Blumen. Die wirtschaftlichen Zeiten waren schlecht, aber mein Sport hat mich ganz schön in der Weltgeschichte herumgebracht.´
Tauschen möchte sie mit heutigen Schwimmerinnen, die mit ihren Erfolgen Geld und Werbeverträge erringen, auf keinen Fall. ´Ich bewundere Hannah Stockbauer und andere, aber ich bin froh, dass meine aktive Zeit früher war. Außerdem könnte ich mit meiner damaligen Bestzeit heute keinen Blumentopf mehr gewinnen. Die Entwicklung ist sehr schnell.´
Dem Wasser, ihrem Element, ist sie aber bis heute treu geblieben. Nicht nur, dass sie 1962 ihren Dieter Dannemann heiratete, der noch heute im Vorstand des DSV wirkt: an vier bis fünf Tagen in der Woche kann man sie im Ganderkeseer Freibad beim Aqua-Jogging treffen. ´Eher beim Aqua-Walking´, lacht Wiltrud Dannemann, ´denn die Knochen machen nicht mehr so richtig mit.´ Eine Hüftoperation und ein Eingriff am Kniegelenk machen ihr heute das Laufen manchmal schwer, ´aber im Wasser fühle ich mich pudelwohl, da sind alle Schmerzen weg.´
In Ganderkesee ist das Hallo jedes Mal groß, wenn sie das Bad betritt, denn ´von 1979 bis 1996 stand ich als Schwimmmeisterin am Beckenrand. Da sind viele Bekanntschaften geblieben.´
Wie überhaupt Freundschaften neben den zahlreichen Titeln wie Niedersächsische und Bremer Landesmeisterin ganz oben stehen auf Wiltrud Dannemanns persönlicher Liste. 1984 bestritt sie ihren letzten Senioren-Wettkampf, eine Freundschaft zu einer finnischen Schwimmerin, die sie in den fünfziger Jahren bei einem Länderkampf in der Olympia-Schwimmhalle in Helsinki kennen lernte, hat bis heute Bestand.